Sonntag, 14. Februar, Valentinstag, nicht zu übersehen, nicht zu überhören, nur in den christlichen Radiostationen ist der Hype nicht ganz so wild. Auf den Fahrten hierher habe ich des öfteren den Predigten und Bibelauslegungen gelauscht, auch hier, amerikanisch professionell, Betonung, Stimmlage bohren sich in das Gehör, es ist“gefühlt“ die Wahrheit. Besonders wirkungsvoll ist die kurze prägnante Schlussfolgerung nach einer längeren Kette von Beispielen, oft persönlicher Natur. Gefallen hat mir eine Vormittagsexegese über Arroganz, die Botschaft war, das wir nicht die Zukunft kennen, nur Gott. Mit verschiedenen Beispielen untermauert (Planung eines Fluges, Geschäfts, Abendessen) immer wieder auf den Punkt gebracht: „and that’s ARROGANT, arrogant“. … Aber mit welcher Eindringlichkeit und Vehemenz, immer persönlich und dringend! Leider war ich in den letzten Jahren nur auf normalen evangelischen Gottesdiensten, das auch sehr selten, wahrscheinlich ist bei den freikirchlichen Veranstaltungen in Deutschland mehr Feuer drin, hier in den Staaten ist Religion eine sehr ernsthafte Sache. Diese Predigt blieb mir vor allem wegen eines Ausflugs im mittleren Abschnitt im Gedächtnis, es folgt eine freie Übersetzung :
Vor kurzen war ich wegen eines dienstlichen Termins in ..Haven.. (irgendeine Stadt) in Massachusetts, so ein Ort, mit Künstlern, „creative People“
(die Anführungszeichen waren deutlich zu hören ) und da gab es auch einen Laden mit Tarotkarten und einer Frau, welche die Zukunft aus der Hand lesen wollte, ich sage Euch, das ist des Teufels Trick, flieht…
Natürlich ist das eine normale freie Meinungsäußerung eines Predigers, ich fand die clevere Einbindung der Ostküste in einen unchristlichen Zusammenhang (vorsichtig ausgedrückt) typisch, Esoterische Läden gibt es auch hier im Bible Belt. Übrigens bezeichnen werden sowohl Memphis und Nashville als Gürtelschnallen des Bibelgürtels bezeichnet. Es gibt unglaublich viele Kirchen hier.
Kurz vor der Abreise aus Memphis noch ein kurzer Überblick über die 2,5 Tage hier. Mein preiswertes Quartier ist im Süden von Memphis in einem von tausenden flachen Holzhäusern, deren bauliche Qualität nicht besonders ist.
Meine Vermieterin und ich sind als Weisse hier die absolute Ausnahme. Ich habe zunächst Downtown erwandert, viele Hochhäuser aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts prägen das Bild, es gibt eine alte Straßenbahn, allerdings nicht mehr schienengebunden und nicht elektrisch.
Leider habe ich die meisten Fotos mit der Kamera geschossen, ich liefere noch welche nach. Beale Street ist natürlich das Vergnügungsviertel, die Straße ist für den Autoverkehr gesperrt und eine Blueskneipe reiht sich an die andere. Spannend ist der „Kramladen“ von A. Schwab, ein riesiger Shop mit Platten, Plakaten, Klamotten, Postkarten usw., die meisten Waren mit Bezug auf Memphis und den Blues, auch eine Museumsabteilung ist hier.
Gegründet 1876 lautet der Werbespruch “ Wenn du es nicht bei Schwab findest, hör lieber auf, zu suchen. Es ist das letzte Original hier in Beale Street. Beale Street war mit einer der ersten Orte, wo schwarze Geschäfte und Kneipen hatten, um die Ecke wurde auch die erste afroamerikanische Bank gegründet. Rassentrennung und Bürgerkrieg sind die Themen, auf welche du im Süden dauernd stösst. Nashville und Memphis haben den Bürgerkrieg dank frühzeitiger Besetzung durch die Nordstaaten heil überstanden, 1866 ist allerdings ein Dampfer auf dem Mississippi mit heimkehrenden Kriegsgefangenen der Nordstaaten explodiert, mit ungefähr 2600 Opfer ist es das größte Schiffsunglück aller Zeiten.
Das Lorraine-Hotel in Memphis ist der Platz, wo Martin Luther King 1968 ermordet wurde , das war auch die Zäsur der Bürgerrechtsbewegung, weg vom gewaltlosen Widerstand.
Im Stax-Museum, welches ich am Samstag besichtigte, ist diese Zäsur ebenfalls zu spüren. In den 60ern ein Tonstudio und Plattenladen, wo Schwarz und Weiss gleichberechtigt und vor allem gemeinsam zusammenarbeiteten, haben sie 1974 dichtgemacht. Hier waren Isaac Hayes, die Staple-Singers, Rufus und Carla Thomas, Otis Redding und viele andere unter Vertrag. Besonders beeindruckt hat mich das Tonstudio. Offenbar so sehr beeindruckt, dass ich anschließend den Schlüssel meines Autos in den Kofferraum legte. Danke ADAC. Es hat 1.5 h bis zur Klärung gedauert.
Am Freitag hatte ich auch mein persönliches Erlebnis mit der Rassentrennung. Am Vormittag nach Downtown mit dem Bus gefahren, hatte ich gegen 17 Uhr den Plan, zurück in mein Quartier zu fahren . Also Google gefragt, um die Ecke von Beale Street, 2 Blocks weiter ist die Bushaltestelle. Die Haltestelle ist auf einem anderen Planeten, viele Betrunkene und in anderer Weise angegriffenen Personen einem Laden, viele Leerflächen und Minner, ein 60-jähriger riesiger Schwarzer sagt mir, das ich mich hinsetzen soll. Er trinkt Bier aus einer braunen Papiertüte und ist sehr schwer zu verstehen. Wir warten eine halbe Stunde auf den Bus, unterhalten uns über Herkunft und Alter, einige Leute kommen vorbei, Händeschütteln, Hi five, Minner ist etwas sauer, dass ich nicht mittrinke. Er fragt nach Geld, was er mir einfach und später mit Eindringlichkeit sagt ist, das ich hier lebendig sitze wegen ihm. Ich habe mich auf 5 $ geeinigt. Der Bus fährt mich bis zur Umsteigestation, mir ist immer noch mulmig, da es auch keine gutbürgerlichen Gegenden hier gibt. Trotzdem laufe ich ein Stück an der Strecke, der nächste Bus hat einen weißen Fahrer, der ist richtig aufgeregt. Er erklärt mir, dass Memphis die gefährlichste Stadt der USA ist, jeden Tag wird jemand umgebracht. Am Umsteiger informiert er den nächsten Bus und fordert mich inständig auf, an der Haltestelle stehen zu bleiben. Das tue ich, der Bus kommt, ein vorbeikommenender Jugendlicher weißt mich mit einem Grinsen darauf hin.
Angekommen im Quartier, habe ich mir 2 Dinge überlegt. Meine rationale Überlegung war, es ist hell und in der Nähe eines Touristenmagnets, Busverkehr ist was normales. Ist es nicht, sieh dir die Leute im Bus an, die sind oft richtig fertig, so fertige Leute sehe ich in Berlin selten. Armut macht kriminell, und die meisten Gegenden hier sind arm.
Die zweite Überlegung war eine Erinnerung. Ich habe mal einen Schaden an einem LKW verursacht, weil ich in Sekundenschlaf gefallen bin. Das ist lange her und darauf zurückzuführen, dass ich unbedingt einen Job beenden wollte. Der Schaden war geringfügig, als ich die Rechnung über 200 € bekam, dachte ich nur, das sollte Dir Dein Leben wert sein. Auch wenn mich Minner verarscht hat, die 5 $ war es wert.
Jetzt verlasse ich diesen Ort, fotografiere mit dem Telefon und es geht südwärts, eine Kleinstadt wäre mal nett, vorzugsweise mit Zentrum, irgendwo.